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Geschichtliches, Krimis & Fanatsy

Um der Leserschaft den Überblick zu ereinfachen, haben wir die Buchrezensionen in drei Bereiche unterteilt. 

Diese werden inhaltlich und farblich unterschiedlich dargestellt.

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Liv Marie Bahrow:   Wellenkinder

2025.03.01  Cover Wellenkinder.jpg

Dieser Roman ist vom Cover her unscheinbar und lässt eher seichte Belletristik für die weibliche Leserschaft mit viel Herz und Schmerz vermuten, als die Aufarbeitung eines Themas der gemeinsamen deutschen Geschichte. Jene Menschen, die die DDR erlebt haben, werden an vielen Stellen an ihre Zeit im SED Regime zurückdenken. Und ja, es ist auch ein Roman für Männer.
  Der Klappentext vermittelt der Leserschaft auf den ersten Blick drei Romane in einem Band als praktischen Abverkauf von drei Werken zu einem Schnäppchenpreis. Dann steigt die Leserin ein, wird mit den Protagonisten Jan, Oda und Margit bekannt gemacht. Die Zeiten, in denen die drei Protagonisten agieren, unterscheiden sich zu Beginn wesentlich.
  In Berlin lebt der Architekt Jan mit seiner Frau Gesa und dem Sohn Connie. Sie haben ein Trennungsjahr vereinbart, weil einiges nicht mehr rund läuft. Ein neuer Versuch des Zusammenlebens soll mit Abstand geprüft werden. Ein unerwarteter Anruf wirft Jan dreißig Jahre zurück. In die Wendezeit und den Lebensraum seiner Kindheit – auf die Insel Rügen. Er muss zurück an den Ort, den er nach dem Tod seiner Mutter verlassen hat, weil er es nicht mehr aushalten konnte.
  Oda will 1970 mit ihrem Freund Jürgen die DDR über die Ostsee verlassen. Schwimmend von Boltenhagen aus, dem westlichsten Punkt an der frei zugänglichen Küste der DDR. Die dramatische Flucht misslingt, Oda wird in die Haftanstalt Hoheneck eingeliefert. Liv Marie Bahrow schildert die Umstände der Haft, die bisher unerkannte Schwangerschaft und die daraus resultierenden Folgen mit einer faszinierenden Beschreibung, die dem Leser das Gefühl gibt dabei zu sein. Die Gerüche und die Abneigung der Mitgefangenen, die Misshandlungen – alles lebt auf den Seiten und dringt durch zu den Gefühlen der Leserschaft.  
  Da ist die Flucht aus Königsberg mit einem Schiff über die Ostsee. Margit sieht die Frau, die über Bord gehen will vor sich, mit einem Bündel in der Hand, in welches ein Kind eingewickelt ist. Die Frau, die der Belastung des Krieges nicht mehr Stand halten kann, geht über Bord. Das Bündel bleibt an der Reling zurück. Margit steht später im Mittelpunkt der Nachkriegszeit, in welcher die DDR aufgebaut wird. Sie ist überzeugte Bürgerin des Staates und liebt ihr Land bis zum letzten Atemzug. 
  Erst viel später kann der Leser den Faden erkennen, der sich durch den Roman zieht, der aus drei vermeintlich eigenen Geschichten eine in sich verwobene Tragödie des Lebens abzeichnet. Ein Roman mit sehr viel Tiefgang, mit einem Spannungsbogen, der nicht nachlässt und der letztlich auch als Zeitzeugnis gesehen werden kann. Absolut empfehlenswert. Und ein Muss für alle, die sich entschieden haben, ihren Lebensmittelpunkt von den alten Bundesländern in die neuen zu verlegen.

 

     Burckhard Specht    
     Ullstein Buchverlage           SBN 978-3-548-06869-5        Taschenbuch  416 Seiten 

Sigrid Dobat:   Nenn' mich Margot

Sigrid Dobat - Nenn mich Margot

Der Roman erzählt von einer Frau, die kurz vor Kriegsende aus der Hauptstadt nach Kiel geflohen war. Kiel war im Krieg Stützpunkt der Kriegsmarine und von drei großen Werften, somit auch Ziel von unzähligen Luftangriffen und wurde zu 80% zerstört.    
  Nach einem der Luftangriffe gelangt sie durch Zufall in den Besitz eines fremden Koffers mit Dokumenten und persönlichen Gegenständen. Sie nutzt die Gelegenheit, um auch ihre eigene Vergangenheit, die Schritt für Schritt beleuchtet wird, zu verdecken.
  Ihre Kontakte zu den Besatzungstruppen wird von einigen argwöhnisch betrachtet und feinsinnig von Sigrid Dobat beschrieben.
  Die Situation einer alleinstehenden Frau, gebildet und zielbewusst, die in einer von Männern beherrschten Umgebung arbeitet. Das Buch endet mit einem unerwarteten Ende.

Mich hat der Roman fasziniert und kann ihn jenen empfehlen, die mehr über die starken Frauen in den Kriegsjahren erfahren wollen.

 

     Burckhard Specht    
     Ihelo Verlag           SBN 978-3-940926-38-8         Hardcover

Michael Fender:  Der Tote im Wald

Cover Der Tote im Wald © Michael Fender

Dieser Krimi lässt bis zum Schluss die Frage offen, ob es Fiktion oder Realität ist, was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass der Autor zehn Jahre in und mit Afghanistan tätig war. Auch dadurch kann dem Inhalt eine entsprechende Authentizität zugesprochen werden und lässt die Spannung stehen.

Drei Protagonisten bestimmen den Inhalt:
Der Hauptkommissar Frey aus dem Ort, wo der Mord stattgefunden hat. Er hat die ersten Ermittlungen durchgeführt und arbeitet später mit dem BKA Beamten Riwold an der Klärung des Falls. Die dritte stark herausgearbeitete Person ist Aurel, ein Mann ohne Vornamen, der immer wieder in Erscheinung tritt, mit vielen Erklärungen, die in die Tiefe des Krimis gehen. Mit – so fühlt es sich an – starken biographischen Ausführungen. Ergreifend sentimentale und auch welche, die mit einer klaren Nüchternheit dem Leser dargestellt werden.

Es gibt unterschiedliche Erzählperspektiven. Beim Hauptkommissar dominiert die Ich-Perspektive mit Wechsel zur neutralen wobei der Erzähler bei Herrn Aurel stets die auktoriale Perspektive wählt. Ob diese Distanzierung gewollt ist, kann ich nicht nachvollziehen.

   Gut gemeint sind die Erklärungen vieler Begrifflichkeiten, die der Leserschaft auch sehr interessante Hintergründe vermitteln. Einiges dürfte bekannt sein, anderes jedoch Neuland. Aus meiner Sicht ist es für den Lesefluss wesentlich angenehmer, die Erklärungen im Text mit Sternchen anzudeuten und als Glossar in den Anhang zu bringen. Ich habe nach den ersten Erläuterungen diese – mit grauem Druck abgesetzten - Passagen überlesen und fand danach zu einem guten Lesefluss mit bleibendem Spannungsbogen zurück.

Insgesamt ein kurzer Krimi, der sich schnell liest, Spannung hält und Einblick in denkbare Handlungsweisen einiger Geldsüchtiger gewährt.

   Eine durchaus empfehlenswerte, unterhaltsame Lektüre, bei der auch die Migration am Rande – und dennoch mittenddrin – erwähnt wird, wenn Frey nebenbei von seiner Enkelin erzählt.​

     Burckhard Specht    

     Verlagshaus Schlosser     ISBN  978-3-7581-0015-4     Taschenbuch  144 Seiten

Christoph Hein:    Unterm Staub der Zeit

Cover  Unterm Staub der Zeit

​Dieser Roman zeigt starke biographische Züge auf, wuchs der Protagonist Daniel ebenso wie der Autor als Pfarrerssohn in Sachsen auf. 1958 – wo der Roman beginnt – war es ein Makel, in der DDR als Pfarrerssohn geboren zu sein. Das bekam er, wie auch sein älterer Bruder David, dadurch zu spüren, dass Ihnen der Zugang zum Abitur verwehrt wurde.
Zu dieser Zeit konnten die Reisen aus der DDR nach Berlin noch, wenn auch stark eingeschränkt, durchgeführt werden. David lebt bereits in Westberlin, jetzt soll auch Daniel dort das Abitur ablegen.
Christoph Hein zeigt in dem Roman die Problematiken beider parallel operierenden Systeme im besetzten Berlin auf und begleitet Daniel auf seinem Lebensweg. Beschreibt den Tagesablauf im Internat, wo er mit weiteren Jungen aus der DDR wohnt. Gemeinsam besuchen Sie ein Gymnasium, sind jedoch als C-Zweig von den Westberlinern getrennt. Der Autor zeigt weiterhin feinfühlig auf, welche Besonderheiten für Menschen aus der DDR in Westberlin gelten. Mit allen Vor- und Nachteilen. Dass Daniel dabei auch verbal als „Arschloch aus der Russenzone“ angegangen wird, soll möglicherweise die Abgrenzungen der Jugendlichen untereinander unterstreichen. Dem Besuch des Erweckungspredigers Billy Graham werden einige Seiten gewidmet, die eher für jene von Bedeutung sind, die ihn selber gehört haben. So wie ich.
Zur Reife des Lebens gehört natürlich auch der Kontakt zum anderen Geschlecht. Christoph Hein gibt diesem Thema Raum, lässt Daniel seine Erfahrungen mit einer etwas älteren Frau sammeln und ihn seine Lektionen lernen.
Dann kommt das Jahr 1961, das Jahr des Mauerbaus. Die Karten werden neu gemischt, Lebensplanungen korrigiert. Die Ereignisse überschlagen sich, gehen eine andere Ordnung ein, lassen neue Ufer erkennen.
Ein Roman, der aus meiner Sicht gelegentlich an Spannung verliert, letztlich aber das Leben in Berlin vor dem Mauerbau aus dem Blick eines jungen Menschen wiedergibt. Ein Mosaikstein in der deutsch-deutschen Geschichte. Sehr lesenswert – nicht nur für jene, die sich für das Leben vor der Wende interessieren.

 

      Burckhard Specht     Leseprobe
      Suhrkamp Verlag      ISBN 978-3-518-47390-0            Leinen 220 Seiten / Taschenbuch  / eBook

Katja Köhne:   Tod in Boltenhagen

Tod in Boltenhagen © edition-falkenberg

Das zweitälteste Ostseebad an der Küste von Mecklenburg-Vorpommern ist Schauplatz des Krimi Debüts von Katja Köhne. Kein blutgetränkter Krimi mit sich immer wieder übertrumpfenden Ereignissen, sondern eher einer der stillen Sorte. Ohne Schuss- oder Stichwaffen aber mit viel Zwischenmenschlichem.
    Der Roman erstreckt sich über rund 30 Jahre, führt zurück bis 1992 und gibt Einblick in sprachliche Besonderheiten zwischen Ost und West. Arbeitet sich nicht an den unterschiedlichen Wahrnehmungen der dort lebenden Menschen ab, sondern versucht zu erläutern, zu erklären - was meines Erachtens gut gelungen ist. Was sicherlich auch darin begründet ist, dass die Autorin viele Jahre in Mecklenburg gelebt hat und nunmehr in Bremen wohnt.
    Der Spannungsbogen bleibt bestehen, auch wenn es nicht immer sofort erkennbar ist, nimmt die Leser mit zum Kaffeeklatsch in den Garten, ebenso wie zu den Vernehmungen diverser Verdächtiger. Beschreibt die Gedanken und Handlungen einer Frau, deren Mann unverhofft verschwindet und letztlich endet der Roman anders als zu Beginn vermutet.
    Viel Raum nehmen die Beschreibungen der Protagonisten ein, ihre Hintergründe und die Darstellungen ihrer gegenwärtigen Lebenssituationen.
    Ein Roman mit Unterhaltungswert, auch wenn man Boltenhagen nicht kennt. Flüssig geschrieben mit fundierten Zusatzinformationen. Die ideale Urlaubslektüre.

 

     Burckhard Specht          

     Verlag Edition Falkenberg     ISBN 978-3-95494-300-5        Taschenbuch  175 Seiten

Sandra Newman:   Julia    (1984)

Cover Julia

Es waren die Gedanken, die sich erst frei bewegen mussten, bevor ich den Lesefluss erreichen konnte. Romane der Gegenwart sind in den Handlungen leichter nachvollziehbar, da das Umfeld bekannt ist. Historische Erzählungen versetzen die Leser zurück in eine Zeit, über die man sich ein Bild aufgrund anderer literarischer Werke aufbauen konnte und kann.
Bei Julia war am Anfang eine Blockade vorhanden. Den Roman 1984 von George Orwell habe ich als Jugendlicher gelesen. Erinnerungen daran sind mittlerweile stark verblasst. Das Jahr 1984 habe ich sehr bewusst als erwachsener Mensch erlebt, bin hineingewachsen, habe auch in London gelebt. Und jetzt alle Lebenserfahrungen aus dem Jahr kappen - das war zu Beginn nicht einfach.
  Julia hat sich eingerichtet in einem Leben aus Überwachung und Unterwerfung, hat sich beruflich eine gefestigte Position erarbeitet, lebt jedoch in einem Wohnheim, welches an alte Internate erinnert. Mit Neusprech werden Wörter umgestaltet, die den Sinn verwässern oder negieren sollen, um durch diese Sprachmanipulation die Freiheit des Wortes zu begrenzen. Sandra Newman legt einen Schwerpunkt auf die Sexualität, die damit einhergehende Einflussnahme auf die Männer und driftet sprachlich in diesem Zusammenhang stark ins Vulgäre ab.
Nicht erkennbar ist, weshalb eine der Gutgeschichten vom „Großer Bruder Denk“ eine Überarbeitung der Kreuzigung Jesus darstellt.
  Die Bespitzelungen erinnern an die deutsche Geschichte zur NS und DDR Zeit. Bei der Beschreibung von Fortpflanzung und „Kinderaufzucht“ werden wieder eigene Gedanken aktiv, lassen Beschreibungen aus Nordkorea vor dem geistigen Auge entlang marschieren. Die übergestülpte Wahrheit der Partei, die Gehirnwäsche noch denkender Personen, die weiter existieren doch kaum leben - diese Punkte bringt das Buch nochmals ans Licht und erinnert an existierende politische Systeme.
Der Roman ist sehr flüssig geschrieben, geht bis an das Unerträgliche bei den Schilderungen der Folterungen und pflegt auf langen Strecken sprachliche Formen, die befremdend sind. Der Schluss des Buches klingt wie der Beginn. Ob vor Julia das Original von George Orwell gelesen werden sollte – darüber gehen die Meinungen auseinander.

 

     Burckhard Specht       Leseprobe
     Eichborn Verlag          ISBN: 978-3-8479-0156-3         Hardcover 447 Seiten / eBook / Hörbuch

Petra Oelker:  Das Haus am Gänsemarkt

Petra Oelker   Das Haus am Gänsemarkt © Wunderlich

Die historischen Kriminalromane von Petra Oelker haben mich sehr gefesselt, waren es auch die ersten geschichtlich gefärbten Romane Hamburgs, die ich kennengelernt habe. Die Erlebnisse der Komödiantin Rosina, die im Zusammenhang mit dem Weddemeister Wagner standen, verbunden mit den eingehenden Beschreibungen der Gegenwart, ließen die Spannung nicht enden.

Das Haus am Gänsemarkt, Petra Oelkers zuletzt erschienener Roman, spielt in der Zeit der Besetzung Hamburgs durch die Franzosen. Er setzt in den letzten Jahren der Besatzungszeit ein, von Oktober 1812 bis Mai 1814.

Das Haus gehört der angesehenen und wohlhabenden Familie Brestetten, die vier Kinder hat. Die Hauptfigur, die sich sehr früh herausbildet, ist Sophia Benedikt. Sie ist in London aufgewachsen und wohnt seit zwei Jahren bei Ihrem Onkel Arnold Brestetten und dessen Frau Johanna, da ihre Eltern nach Philadelphia ausgewandert sind. In einem Teil des Hauses sind ebenfalls die französischen Besatzer untergebracht. Sophias Bruder ist Biologe und gerät zwischen die (Schmuggler)fronten zwischen England und dem abgeschotteten, von den Franzosen kontrollierten Kontinent.

Der Roman erzählt die Geschichte der Familie mit detailliert recherchierten Untermauerungen zur Besatzungszeit, die einerseits von großer Armut, andererseits von rauschenden Festen geprägt ist. Petra Oelker nimmt die Leserschaft mit hinein in die Gassen der Stadt, zu den teils unsicheren Plätzen der dort Lebenden und konfrontiert die sozialen Schichten untereinander.

Durchaus ein Roman, welcher historisch interessierten Lesern viel Input gibt. Wer jedoch die Spannung der eingangs erwähnten Werke um die Komödiantin Rosina erwartet, der wird durch ein eher sachlich formuliertes Buch vielleicht enttäuscht sein. Der Wert des Romans liegt aus meiner Sicht in der von der Petra Oelker gekonnten Begleitung des Lesers auf eine Reise, die über zweihundert Jahre zurückliegt.

     Burckhard Specht       Leseprobe
     Wunderlich Verlag      ISBN: 978-3-8052-0095-0        Hardcover 480 Seiten / eBook

Julia Rosenthal:      Vendetta

Cover Vendetta © Amazon publishing

Historische Liebesromane gibt es wie Sand am Meer, aber falls die Leserinnen einmal Lust auf etwas Neues haben, empfehle ich diesen Schmöker. Vor der Kulisse des Comer Sees in Italien Ende des 18. Jahrhunderts folgen wir dem Schicksal des jungen Alessio Montigliore. Dieser hat sich als Frau verkleidet in die feine Gesellschaft eingeschlichen und begibt sich in der Tradition eines Grafen von Monte Christo auf einen Rachefeldzug an seinen Verwandten, die ihn beinahe umgebracht hätten. Und wie der berühmte Graf muss Alessio sehr vorsichtig sein, sich nicht in diesem Hass zu verlieren und Unschuldige für seinen Plan zu opfern. Erschwerend kommt hinzu, dass sich eine Liebesgeschichte mit Herzog Leandro Santavera anbahnt, der Alessio nur unter dessen falscher Identität als Frau kennt und ihn bei seinem Plan unterstützt. Zwischen rauschenden Bällen und fesselnden Duellen sorgen herzerwärmende Nebenfiguren wie Alessios quirlige Vertraute, die kleinen Kinder des Herzogs oder dessen properer Butler für Auflockerung. Wie das Cover schon verrät, gibt es ein paar erotische Momente, aber nichts Explizites. Im Fokus steht  Alessios Konflikt, den man bis zur letzten Minute mit Spannung verfolgt. Das Ende wird hier nicht verraten, aber ganz sicher wird niemand enttäuscht werden. Mein heißer Tipp für verregnete Tage!

     Frederike Block               Leseprobe
     Amazon Publishing         ISBN 978-3-518-43135-1           Taschenbuch  381 Seiten / eBook

Gregor Sander:   Alles richtig gemacht

Gregor Sander - Alles richtig gemacht © Penguin Verlag

Der Roman erzählt die Geschichte von zwei Jungen unterschiedlicher Charaktere, die sich in der Schule in Rostock, in der DDR, kennenlernen. Die Elternhäuser können kaum unterschiedlicher sein, was die Freundschaft jedoch wenig belastet. Die letzten Jahre der DDR fließen glaubwürdig in den Roman hinein, dessen Autor in Schwerin geboren wurde.
Immer wieder werden die ungleichen Wege der beiden Männer aufgezeigt, mit den geänderten Lebensverhältnissen nach dem Fall der Mauer, das eher bürgerliche Leben des Einen, die Unaufgeräumtheit des Anderen. Frauen, die deren Leben von der Pubertät bis ins Jetzt prägen und es  auch in Teilen verändern.
Gregor Sander hält die Geschichte in einem schnell lesbaren Schreibstil kontinuierlich am Laufen, jedoch ohne eine hohe Spannung aufzubauen. Herzrasen Fehlanzeige, dafür Tiefgang, mit Witz und Wahrung des Erlebten in seiner alten Heimat.
Alles richtig gemacht. Oder Alles richtig gemacht? Das liegt im Empfinden der Leserschaft und unterstreicht den Lesewert des Romans.  

               

     Burckhard Specht        Leseprobe   
     Penguin Verlag             ISBN 978-3-328-10643-2           Taschenbuch  240 Seiten / eBook / Hörbuch

Georg Schreiber:   Der Gerichtsgutachter

Georg Schreiber - Der Gerichtsgutachter © Georg Schreiber

Eine trockene Materie kommt dort auf mich zu, wird der Leser meinen, wenn er den Titel vor sich hat.
Da mir Georg Schreiber im Gespräch nach der Lesung noch bestätigt, dass viele autobiographische Erlebnisse Eingang in den Roman erhalten haben, wird das Interesse noch größer. Georg Schreiber ist von Beruf Gerichtsgutachter. Jemand, der in seinem Buch Erlebtes, Reales einbringt und verarbeitet.
Zwei Bereiche werden miteinander verknüpft: Die vom Gerichtsgutachter zu bearbeitende Fälle, mit einem Einblick in die Details, um dem Leser die Möglichkeit der eigenen Beurteilung zu geben. Einerseits. Auf der anderen Seite zieht sich das gemeinsame, unterschiedlich wahrgenommene Liebesleben des Gutachters zu seiner lebensfrohen Teilzeitpartnerin wie ein roter Faden durch den Roman.Georg Schreiber versteht es in einer schnell lesbaren Handlung nach und nach Spannung aufzubauen, aber auch den Lesenden zu ungläubigem Kopfschütteln zu bewegen. Verschiedene Milieus liegen dem Buch zugrunde und führen den Roman zu einem Ende, dass letztlich die Leserschaft überraschen wird. Die ein oder andere spannungslose Phase wird schnell wieder wettgemacht.
    Ein interessantes Buch, besonders für die Leserschaft, die Authentizität aus erster Hand haben möchte, mit dem Gefühl, dass hier jemand die Materie, die er beschreibt, sehr gut kennt.

               

     Burckhard Specht      
     Omnino Verlag             ISBN 978-3-95894-172-4               Hardcover 332 Seiten / eBook

Roman Voosen & Kerstin Signe Danielsson: Tode, die wir sterben

Cover Tode, die wir sterben

Wieder ein echter Voosen / Danielsson Krimi mit der Garantie für Spannung bis zur letzten Seite.
Der Schwerpunkt der neuen Krimireihe ist weiter in den Süden gerutscht. Raus aus der beschaulichen Idylle von Växjö und hinein in das turbulente Großstadtleben von Malmö.
Das jetzige Ermittlerduo besteht aus einem Kripobeamten der hiesigen Mordkommission, der durch den Tod seiner Frau aus der Bahn geworfen wurde und den Weg zurückfinden muss. Begleitet von einer Ermittlerin, die bis zu einem tragischen Unfall undercover gearbeitet hat und von Stockholm nach Malmö für den aktuellen Fall geschickt wurde.
Die beiden Protagonisten sind nicht fehlerfrei und haben auch mit den alltäglichen Problemen im privaten Bereich zu kämpfen, die sich streckenweise schlecht vom Berufsleben abgrenzen lassen. Er ein etwas mürrischer, erfahrener Kommissar mit manchmal wenig Begabung in praktischen Dingen und sie, eine analytische Ermittlerin, die sich auch körperlich gut zur Wehr setzen kann. Die Art der Annäherung ist sehr gut dargelegt, zeigt aber auch oft die widersprüchlichen Charaktere auf.
Die Spannung des Krimis wird durch die zunehmende Aktivität der Bandenkriminalität in Schweden in die reale Gegenwart gezogen. Wie schon in früheren Romanen scheint das Autorenduo es zu lieben, weltbekannte politische Themen zu recherchieren und vorsichtig in die Romane einzubinden, gleichwohl auch mit einigen Hintergrundinformationen dazu beizutragen. Ich denke hierbei insbesondere an die Romane „Die Taten der Toten“, wo es auch um Olof Palme geht und „Aus eisiger Tiefe“, welcher Bezug zum Untergang der Estonia hat.
Gut herausgearbeitet wurden auch die familiären Hintergründe der Opfer, damit sich die Leser mehr in die Entwicklung, in die Problematik der Brennpunktviertel Malmös hineinversetzen können. Migration ist ebenfalls ein Thema, welches sich durch den Roman zieht. Die Lesenden werden des Öfteren Ihre Meinung über die Täter und Opfer ändern (müssen).
Die Spannung wird langsam aufgebaut und über den Roman hin hochgehalten. Bei dem Einstieg in die letzten 60 Seiten bekommt man das Gefühl der Langatmigkeit und nach ein paarmal umblättern ist der Adrenalinspiegel wieder im Steigflug.
Flüssig geschrieben, Spannung durch Fiktion und Realität erzeugt und nicht nur für Schwedenfreunde ein literarischer Leckerbissen. Die kurzen Kapitel sorgen für wechselseitigen Spannungsaufbau.

Bonuspunkte – ein Autorenporträt von Roman Voosen & Kerstin Signe Danielsson:
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     Burckhard Specht                            Leseprobe

     Kiepenheuer & Witsch Verlag         ISBN: 978-3-462-00459-5          Paperback 394 Seiten / eBook

Amanda Wurm:       Wie ein leiser Schatten - Eine Schulklasse unter dem Hakenkreuz

© Geest Verlag

Amanda Wurm ist die verantwortliche Autorin für dieses ungewöhnlichen Schulprojekts.
Das Autorenteam des Seminarfachs des Gymnasium Anonianum, Vechta:

Jule Bödecker, Greta Götting, Neo Götting, Mara Hammer, Viviane Muhle, Felix Nienaber, Melina Nguyen, Quang Huy Pham, Hinnerk Ripke, Lara L. J. Robbers, Finn-Lucas Thöle, Alex Urban, Mathis Varnhorn,
David Wille, Amanda Wurm

Der Tod kam unerwartet wie ein leiser Schatten, der sich unbemerkt an mich heranschlich“, schreibt Gerda, eine der jungen Protagonistinnen dieses besonderen Buches. Doch Gerda ist keine reale Person, sondern eine von vielen Figuren, die von Schülerinnen des Gymnasiums Antonianum in Vechta erschaffen wurden. Im Rahmen eines kreativen Seminarfachs unter der Leitung von Olaf Bröcker und in Zusammenarbeit mit Verlagsleiter Alfred Büngen schlüpften die Jugendlichen in die Rollen von Schüler*innen einer Schulklasse im Jahr 1933 und durchlebten die Jahre des Nationalsozialismus – von den ersten Veränderungen im Alltag bis hin zu den verheerenden Umständen im Krieg.

   Dabei war es kein bloßes Planspiel: Die Jugendlichen nahmen ihre Rollen ernst, schrieben aus der Perspektive ihrer Figuren und tauchten tief in die historischen Gegebenheiten ein. Sie spürten, wie sich der Nationalsozialismus schleichend in das Leben drängte: Ein neuer Lehrer führt „Rassekunde“ ein, der Beitritt zum BDM wird zur Pflicht, eine Mitschülerin wird wegen ihrer Herkunft aus der Klasse ausgeschlossen. Die Figuren erleben die Euphorie zu Beginn des Krieges, müssen Verluste ertragen, sehen Klassenkamerad*innen an der Front sterben und sind mit Maßnahmen wie Zwangssterilisation oder der Einweisung in Jugendlager konfrontiert.

   Was dieses Buch so besonders macht, ist die Authentizität und emotionale Tiefe der Texte. Die Schüler*innen waren in ihrer kreativen Arbeit frei, und genau das verleiht dem Werk seine Eindringlichkeit: Jede Perspektive, jeder Gedanke, jede Entscheidung ihrer Figuren spiegelt den Versuch wider, die NS-Zeit nicht nur verstandesmäßig, sondern auch auf einer emotionalen Ebene zu begreifen.

   Eine Auswahl an Texten wurde in diesem Buch zu einer literarischen Collage verdichtet. Es ist ein Werk, das berührt, verstört und zum Nachdenken anregt. Ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie Geschichte nicht nur erzählt, sondern erlebbar gemacht werden kann – ein kreatives und zugleich aufrüttelndes Stück Erinnerungskultur, das seine Leser*innen nachhaltig prägen wird.

    Hinnerk Ripke  
     Geest Verlag           ISBN 978-3-86685-069-9         Taschenbuch   238 Seiten

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